Aber es gibt doch Spracherkennung

Neuerdings machen mich Hörende auf verschiedene Programme und Apps aufmerksam, mit denen Sprache erkannt, verschriftlicht und / oder diktiert ´werden kann. Damit könne ich ja lesen, was gesagt wird; eine gut gemeinte Idee! Aber:

  • Ich schaue dann im Gespräch zum Lesen aufs Handy statt mein Gegenüber anzusehen. Es wirkt ein bisschen, als ignorierte ich mein Gegenüber. Zudem entgeht mir alles an Mimik und Körpersprache, was für die Kommunikation so wichtig ist.
  • Meine Erfahrung mit diesen Programmen: bei Menschen die deutlich sprechen, funktioniert das super (aber die kann ich ohne die Programme verstehen).
  • Bei Menschen die nuscheln, schnell oder Dialekt-gefärbt sprechen, einen Sprachfehler haben, … funktionieren die Programme nicht oder nur sehr eingeschränkt (es ist manchmal sehr lustig, was da „erkannt“ wird).
  • Zudem läuft die Spracherkennung systembedingt dem Gespräch immer zeitlich hinterher.

Es gibt Situationen, da kann eine Spracherkennung helfen, z.B. beim Besuch von Ämtern, Ärzten etc. die die Maske im Kontakt mit Hörgeschädigten NICHT absetzen, obwohl die Corona-Verfügungen aller Bundesländer dies regeln.
In Niedersachsen gilt:

„Auch Menschen, bei denen es aufgrund einer Behinderung durch eine Maske/Mund-Nasen-Bedeckung zu erheblichen Einschränkungen in der Kommunikation kommt (insbesondere bei hochgradig schwerhörigen und gehörlosen Menschen oder Menschen mit Sprachbehinderungen) müssen beim Einkaufen oder im ÖPNV nicht durchgängig eine Maske tragen. Bei der Kommunikation mit und von gehörlosen oder hochgradig schwerhörigen Menschen, kann in Gesprächssituationen die Maske abgenommen werden.“ https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/FAQ/alltagsmaskenpflicht-in-niedersachsen-antworten-auf-haufig-gestellte-fragen-187161.html (Stand: Januar 2021, letzter Aufruf 13.2.2022)

Sonja Mi-Ma

Behindert mit Maske

Eines vorweg: Mund-Nasen-Schutz-Masken sind wichtig! Ich trage sie und wir alle sollten das tun, solange es eben nötig sein wird.

Es ist bekannt, dass man als Brillenträger:in mit den Masken manchmal wenig Spaß hat. Für Schwerhörige hat die Sache aber noch weitere Tücken.

Vor allem fehlen uns durch die Masken wichtige Informationen. Unsereine:r braucht zum Verstehen – neben den technischen Hörhilfen und Übung im Kombinieren – auch den Gesichtsausdruck unseres Gesprächspartners, und das sogenannte Mundbild, also die Bewegung der Lippen. Nicht jeder Laut lässt sich von den Lippen ablesen. Aber die Mundbewegungen sind sozusagen ein Teil des Puzzles. Das fällt durch die Masken nun weg.

So kommt es, dass ich heutzutage praktisch jeden Wortwechsel beginne mit: „Entschuldigung, ich bin schwerhörig…“. Dabei will ich mich für meine Behinderung nicht entschuldigen, und ich will sie eigentlich auch nicht jedem gleich auf die Nase binden. Aber mit den Masken verstehe ich weder, welchen Preis mir ein:e Verkäufer:in an der Kasse nennt, noch welche Fragen mir ein:e Ärzt:in stellt.

Was fast noch schlimmer ist: Selbst wenn ich einmal mit viel Glück eine:n Freund:in oder Bekannte:n auf der Straße treffe, kann ich mich nicht unterhalten. Man freut sich so sehr über das Widersehen – und kann dann doch nicht wirklich in Kontakt treten. Das ist so traurig!

Ein weiteres Masken-Problem ist der knapp werdende Platz hinterm Ohr. Das Hörgerät, vielleicht noch eine Brille, die Masken-Schlaufe… da kann es eng werden und manchmal verheddert es sich auch: Eine Bekannte erzählte neulich, sie habe wohl eines ihrer Hörgeräte aus versehen mit der elastischen Schlaufe der Maske wie mit einer Zwille weggeschnippst – auf Nimmerwiedersehen.

Das ganze führt dann übrigens auch dazu, dass man bei Akustiker:innen derzeit manchmal warten muss auf Termine und auf Hörhilfen zum Testen: Viele Menschen merken jetzt, ohne freie Sicht auf das Gesicht des Gegenübers, dass auch sie schwerhörig sind. Und Andere schnipsen eben ihre Geräte durch die Gegend 😉

Ich jedenfalls werde sehr froh sein, wenn wir uns – gesund und wohlbehalten – wieder von Angesicht zu Angesicht begegnen können!

MN