Was für eine Ironie des Schicksals: Corona ‘behindert’ uns alle. Aber bei der Arbeit führt es für mich persönlich zu mehr Inklusion.
Ich habe das große Glück, meine Arbeit auch von zu Hause aus, im Homeoffice machen zu können. Schon seit März kommunizieren meine Kolleg*innen und ich vor allem per E-Mail, mit einem Chat-Programm und mit Videotelefonie und -konferenzen.
Die wöchentlichen Abteilungsbesprechungen sahen früher ungefähr so aus:
Der genutzte Raum hat weder Teppich noch Deckenverkleidung, ist also etwas hallig. Durch die Tür dringen Geräusche aus dem Flur, durch die Fenster hört man den Autoverkehr auf der Straße, im Raum selbst summt der Beamer. Wir sitzen dort verteilt um einen langen Tisch, sodass ich immer einen Platz wählen muss, von dem aus ich möglichst viele Gesichter sehen kann – denn Mimik und Lippenbewegungen helfen mir bei der Interpretation der Laute, die ich höre. Meine Tischmikros platziere ich dann strategisch vor Kolleg*innen, die eher leiser oder besonders schnell sprechen und gleichzeitig möglichst weit weg von denjenigen, die auf einem Laptop mitschreiben oder gerne mit Zetteln rascheln. Im Laufe der Besprechungen fallen wir uns auch mal gegenseitig ins Wort und oft gibt es kurzzeitig mehrere Gespräche parallel. Alles in Allem muss ich aufpassen wie ein Luchs, um alles zu verstehen, das ist sehr anstrengend.
Nicht so beim virtuellen Treffen, im Videomeeting in Zeiten von Corona:
Beim Meeting am Computerbildschirm sprechen alle ganz gesittet nacheinander und man hat – bei guter Internetverbindung – sogar das Mundbild und die Mimik direkt vor Augen. Die meisten von uns nutzen ein Headset mit einem Mikrofon darin, das sie ausschalten, wenn sie selbst nicht sprechen. Minimaler Abstand von Mund zu Mikro, kein Hall, kein Tastaturgeklapper. Auch die Nebengespräche entfallen, bzw. verlagern sich in den Chat, wo endlich auch ich einmal ‘mitflüstern’ kann. Und falls einmal die Übertragungsqualität nicht gut ist, dann leiden alle darunter. Genaugenommen bin ich als Schwerhörige sogar im Vorteil: Weil ich es gewöhnt bin, mich über längere Zeit stark zu konzentrieren und aus unvollständig empfangenen Signalen den Sinn der Botschaft zu erschließen.
Was das Hören bei der Arbeit betrifft, sind die gebotenen Corona-Schutzmaßnahmen für mich persönlich also ein echter Vorteil. Und ich hoffe, dass einige der Vorteile der ‘virtuellen Gesprächskultur’ auch für Normalhörende so auf der Hand liegen, dass sie auch weiter praktiziert werden, wenn wir uns endlich wieder von Angesicht zu Angesicht begegnen können. (MN)